Die Perspektiven der Region nach der Corona-Krise
Die sog. „Corona-Krise, die Ende 2019 ihren Anfang mit dem
Virus Covid 19 auf einem Wildtier- und Fleischmarkt in Zentral-China fand, sich
dann über nahezu den gesamten Erdball verteilte und dabei – Mitte April 2020 – rund 150.000 Tote weltweit, in Deutschland
alleine rund 4.000 (2,1 Mio Infizierte global und davon 7 % Tote, bei 20 bis 25
% Genesenen) gefordert hat, wird wohl aus historischer Sicht einmal als
Wendepunkt einer umfassenden Neuorientierung – ökonomisch, ökologisch und
sozial – einzustufen sein. Krisen waren aber schon immer nicht nur mit tiefen
Einschnitten in die gesellschaftlichen Abläufe und damit auch für das
persönliche Umfeld der Menschen eng verbunden. Sie eröffneten zu allen Zeiten
auch jeweils weitgehende Perspektiven einer Zukunftsentwicklung.
Jede der uns in Erinnerung gebliebenen Krisen jüngerer Zeit mit
über alle Kontinente hinausreichenden unmittelbaren Folgen hat solche
Auswirkungen gezeigt. Die globalen Ölkrisen der Jahre 1973 sowie 1979/80 haben
die Wende zu einem ersten Verständnis für ökologische Zusammenhänge über viele
Kontinente hinweg langsam eingeleitet. Die Atomkatastrophen von 1986 in
Tschernobyl (damals UdSSR) und 2001 in Fukushima (Japan) mit ihren jeweils
globalen Auswirkungen haben auf solch veränderten Einstellungen – meist
allerdings erst nur von Minderheiten – aufgebaut
und zumindest in einigen Teilen unserer Erde daraus einen Mainstream initiieren
können. Ohne diese vier tiefgreifenden Ereignisse – mit bei den Atomunfällen
auch noch etlichen tausend Toten – würden zweifelsohne viele der von den
wissenschaftlichen Disziplinen kontinuierlich vorgelegten Warnungen weiterhin
ignoriert werden. Denn regionale Alarmsignale zu einer dringend überfälligen Änderung
z.B. der Energieversorgung hat es auf nahezu allen Kontinenten gegeben. Aber
immer wieder konnten dagegen politische Mehrheiten mit Erfolg aufgebaut werden.
Der mit dem Begriff 9/11 in Verbindung zu bringende
Terroranschlag auf die beiden New Yorker Bankentürme am 11.09.2001 hat etliche
tausend unmittelbar davon, sowie weitere tausende Tote mittelbar in der
Nachfolgezeit nach sich gezogen. Die internationale Bankenkrise von 2008/09 – ausgehend von der Pleite der US-Bank Lehman
Brothers – löste weitreichende globale Veränderungen, und das nicht nur in der
Bankenbranche aus. Diese beiden Ereignisse werden vor allem als Wendepunkte für
die bis dahin ausufernden Verwerfungen einer zu allzu sehr auf eine ungebremste
Globalisierung setzenden Weltwirtschaftspolitik angesehen. Denn die Auswirkungen
einer immer intensiver global vernetzten Welt wurden und werden leider auch von
dem dadurch notwendigen ungehinderten Warenfluss und einem vermeintlich ewig
währenden quantitativem Wachstum geprägt.
Erst aber die jüngste Corona-Krise hat der Gesellschaft in bislang ungeahnter
Dramatik nun die Grenzen dieser Form der Globalisierung auf nahezu dem gesamten
Globus transparent gemacht. Und das sind vor allem die Folgen eines
unbegrenzten Konsums sowie einer globalen Mobilität.
Wird uns daher die vielfach ersehnte Überwindung dieser, ja
letztlich erst durch den globalen Handel möglich gewordene Krise dazu bringen,
bei der Umwelt-, Energie- und Wirtschaftspolitik endlich wieder mehr auf
dezentralere Wirtschaftskreisläufe zu setzen? Das Ende des Tunnels ist noch immer
nicht sichtbar, seine Auswirkungen übertreffen aber schon jetzt alles, was wir
bisher dazu global miterleben durften!
Natürlich wird es auch weiterhin die Notwendigkeit eines weltweit vernetzten
Handels geben. Aber dies wird nur dann noch zukunftsfähig sein, wenn er sich einerseits
auf den wertvollen Austausch von Erfahrungswissen und andererseits eine
sinnvolle Arbeitsteilung über Kontinente hinweg als sinnvoll ansieht und wenn es dafür auch keine ausschließlich
produktionsbedingten Notwendigkeiten gibt. Die Verlagerung von kompletten oder
auch nur Teilen der Wertschöpfungsketten, darf nicht mehr nur durch
Gewinnstreben dominiert werden. Hier müssen auch andere, vor allem soziale und
ethische Gründe künftig eine wesentliche Rolle bei Entscheidungen spielen.
Nur eine sehr konsequente Dezentralisierung der
Wirtschaftskreisläufe wird langfristig in der Lage sein, derart die gesamte
Menschheit bedrohenden Gefahrenquellen ihre Grundlagen zu entziehen. Wir lernen
gerade in dieser aktuellen Situation, wie sehr unsere Wirtschaft immer noch von
regional funktionierenden Kreisläufen und unser Gemeinwesen von einer hohen
Solidarität getragen werden kann und muss. Und zwar eine Solidarität innerhalb
der gesamten Gesellschaft und nicht – wie bisher allenfalls üblich und
akzeptiert – nur eine Solidarität gegenüber den erkennbar Schwachen im
Gemeinwesen.
Wir hatten dieses Wissen zwar auch schon vorher, aber wir haben es aus
Bequemlichkeit, aus reiner Konsumorientierung, aus einer ungezügelten globalen
Mobilität und auch wegen des Primats einer umfassend gelebten Spaß- und
Erlebnisgesellschaft weitgehend verdrängt. Die Lehren aus dieser – für viele
sicher höchst dramatischen – Entwicklung kann nun aber auch darin liegen, dass
wir unsere Gesellschaft wieder in deutlich entschleunigtere Abläufe und
Strukturen unseres Lebens überführen. In dieser Krise wurden und werden dabei
wertvolle Erfahrungen gewonnen, die es nun auszubauen und weiter zu entwickeln
gilt. Und es zeigt sich dabei zudem auch, über welch einzigartige Vorzüge der
vermeintlich abgehängte ländliche Raum in solchen Situationen verfügt.
Aber es muss und darf auch darauf aufgebaut werden, dass wir
in der aktuellen Situation ein Management offenbart haben, dass seine
Bewährungsprobe in dieser – vorher in solcher Dimension ja nicht eingeübten –
Komplexität bestanden hat. Und dabei darf – mit Blick auf andere Staaten oder
Bundesländer – auch in das öffentliche Bewusstsein gehoben werden, dass dies
aus internationaler Sicht in Deutschland durch eine politische Unaufgeregtheit,
dem souveränen Umgang mit sensibler Sprache sowie der konsequenten Orientierung
an unumstößlichen Fakten erfolgt ist. Dies wirkt umso mehr, wenn man die Alltags-Präsenz
deutscher Spitzenpolitiker mit den öffentlichen Auftritten amerikanischer,
englischer oder französischer Regierungschefs vergleicht. Und es verdient auch
herausgestellt zu werden, dass der besonders konsequente Umgang mit
Vorsorgemaßnahmen und deren frühzeitige konkrete Umsetzung in dem außergewöhnlich
hart betroffenen Bayern besonders gut und professionell gelungen ist. Auf solchen
Erfahrungen darf gerne und mit Zuversicht weiter aufgebaut werden.
Das bedeutet nun aber nicht, die Augen auch vor den in diesen Krisenzeiten
zwangsläufig unterlaufenen Fehlern und wahrgenommenen Defiziten zu
verschließen. Etwas weniger nationale Alleingänge und dafür gerade in dieser
Situation etwas mehr Mut für gemeinsam getragene politische Entscheidungen
Europas wären angesagt gewesen. Die Solidarität unter den Gemeinschaftssaaten
hätte eindeutig frühzeitiger, konsequenter und auch transparenter erfolgen
müssen. In dieser Situation war zwingend mehr Europa notwendig gewesen. An
dieser Stellschraube muss nach der Bewältigung dieser Krise unbedingt
nachjustiert werden. Denn es sollte eigentlich in der EU der Vergangenheit
angehören, dass sich gerade die besonders gravierend betroffenen
Mitgliedsländer verlassen vorgekommen sahen. Und es muss schließlich auch den
nachhaltigen Widerstand der Kommission und der übrigen nationalen Regierungen
auslösen, wenn Regierungen wie Ungarn und Polen diese Situation in
unverantwortlicher Weise ausnutzen, um den Einfluss von Parlament, Justiz und
Medien massiv einzuschränken.
Es hat sich ja immerhin auch gezeigt, dass Deutschland und
viele andere europäische Partner trotz diesem Krisenmodus die demokratischen
Grundrechte nicht – oder zumindest nur in einem zeitlich befristeten und
inhaltlich engen Rahmen – eingeschränkt haben. Aber es bedarf zu einem späteren
Zeitpunkt auch einer Reflexion, welche politische Entscheidungen sowie
Regelungsvorbehalte der Kommission künftig zusätzlich zuerkannt werden, damit
die EU all die Kompetenzen auch tatsächlich wahrnehmen kann, die viele in
dieser Krise erwartet hatten, die ihr zuvor auch gerade von jenen jetzt
lauthals kritisierenden Mitgliedsstaaten verwehrt worden waren. Diese nie
vorher erlebte krisenhafte Situation hat in der Tat transparent gemacht, dass
wir nicht weniger, sondern eindeutig mehr Europa – vor allem europäische
Solidarität – benötigen.
Steckt in der Corona-Krise das Potenzial für eine
gesellschaftspolitische Neudefinition?
Es hat in diesen für alle Bürgerinnen und Bürger tief
bewegenden Zeiten mit sich tlw. über-schlagenden Schreckensmeldungen tief greifende
Einschnitte in die persönlichen Freiheiten gegeben. Aber gerade auch die in den
Arbeitsplätzen verankerten Existenzgrundlagen, die nie zuvor in dieser
Dimension so massive Veränderungen von gesellschaftlichen Abläufen mit sich
brachten, haben die hochgradige Empfindlichkeit unseres Wirtschaftssystems
deutlich gemacht. Es ist dabei immer wieder – und das von unterschiedlicher
Seite – betont worden, dass sich aus dieser Krise eine Neuorientierung unseres
Lebens ergeben muss!
Dazu zählen etliche Beispiele, welche dieses Phänomen mit
Nachdruck in das öffentliche Bewusstsein gehoben haben:
- Beeindruckende
Solidarität des Gemeinwesens
Niemand hätte erwarten können, welche tief beeindruckende Solidarität unser
Gemeinwesenin dieser Krise an den
Tag legen konnte. Mehr Zeit füreinander und die Pflege gesellschaftlicher bzw.
zwischenmenschlicher Kontakte auf der regionalen Ebene waren zwar der Not
geschuldet. Aber die Art und Weise und die spontane Bereitschaft zu einem
solchen Handeln hat sehr viele doch angenehm überrascht. Die Rundum-Bespaßung
ohne jegliche kulturelle Wurzeln haben viele evtl. in diesen Wochen vermisst.
Aber es wurde eben auch transparent, dass es attraktive und kreative Angebote
für ein nicht mehr für möglich gehaltenes gesellschaftliches Miteinander ohne
Rückgriff auf das kommerzielle Überangebot der letzten Jahre gibt. Peter
Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats hat dies treffend in dem Satz
gebündelt: „In dieser Krise ungeahnten Ausmaßes können wir uns glücklich
schätzen, so große Solidaritätsressourcen zu besitzen.“ - Eine neue
Flexibilität der Arbeitsplatz- und
Arbeitszeitwahl
Schon bisher stellte es eine große Herausforderung dar, ein flexibles
Arbeitsplatzangebot oder eine sich anpassende Arbeitszeitwahl zu bewältigen. Wir
haben aber gerade erleben können, wie z.B. viele Heimarbeitsplätze möglich
waren, die zuvor noch völlig unrealistisch erschienen. Eine Entzerrung bislang
als unverzichtbar angesehener starrer Arbeitszeiten zugunsten fließender Arbeitszeitblöcke
eröffnen nun bislang ungeahnte Perspektiven. Dazu gehören auch morgendliche
bzw. allabendliche unproduktive Stauzeiten, deren Auflösung darüber denkbar wird,
um nur eine der zahleichen Vorzüge anzudeuten. Kombinierte flexible
Arbeitszeiten zwischen Arbeitsplatz und Wohnstandort machen dies möglich und
bieten nun neue Chancen für eine mehr an den persönlichen Lebenszielen
orientierte Arbeitszeitregelung. Dies kann und wird die Produktivität und das
Engagement im beruflichen Alltag mit Sicherheit in ungeahnten Dimensionen
beflügeln. Darauf haben Arbeitswissenschaftler schon bisher hingewiesen, aber
wir haben nun einen Beleg dafür erhalten, dass und wie dies real umzusetzen
sein könnte. - Neudefinition
systemrelevanter Berufe
Selten zuvor wurde uns so dramatisch vor Augen geführt, wie stark unsere
Abhängigkeit von den sog. „systemrelevanten Berufen“ gediehen ist und wie diese aber nur marginal jenes Spektrum
abdecken, das bislang gemeinhin unter dem Begriff des „Beamtentums“ subsummiert
wurde. Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DWI) weist mit
Nachdruck darauf hin, dass rund 90 % dieser Personengruppen
unterdurchschnittlich verdienen. Wenn also die allabendlichen
Solidaritätsbekundungen von zigtausend Fenstern und Balkonen, die sensiblen
Dankesadressen zu bester Sendezeit in den Medien oder auch die Appelle etlicher
Politiker in diesen krisenhaften Tagen mehr als nur ein unverbindlicher Applaus
gewesen sein sollten, müssen jetzt Taten folgen. Immerhin hat der Bayerische
Ministerpräsident bereits entsprechend reagiert und eine deutliche finanzielle
Mehrvergütung für Pflegekräfte im medizinischen und im Vorsorgebereich
angekündigt. Das ist zumindest ein sehr hoffnungsträchtiger politischer Ansatz!
Diese sollte aber nun keine lediglich aus der Not heraus geborene Reaktion
einer Krisenzeit bleiben.
Aber auch das Altenpflegepersonal, die Beschäftigten im Einzelhandel, das
Personal der logistischen Dienstleister und die ebenfalls unverzichtbaren Fachkräfte
bei Feuerwehr oder der Polizei sowie anderen für die Aufrechterhaltung unseres
Gemeinwesens relevanten Bereiche haben in den vergangenen Wochen die
uneingeschränkte Solidarität der Gesellschaft erfahren dürfen. An dieser
Systemrelevanz wird sich auch in der „Nach-Corona-Zeit“ nichts ändern. Daher
muss die Gesellschaft nun auch bereit sein, die Tätigkeiten dieser Menschen neu
zu bewerten und ihnen eine entsprechende gesellschaftliche Wertschätzung sowie Leistungsvergütung
zuzugestehen. - Investitionen
in das Gesundheitssystem
Das Gesundheitssystem muss künftig aber auch in die Lage versetzt werden, auf
solche unvorhersehbaren Epidemien besser und umfassender vorbereitet zu sein.
Eine solche Vorsorgeleistung muss als eine weitreichende Investition in die
Zukunft angesehen werden. Obwohl Deutschland auf die Corona-Krise nun in der
Tat deutlich besser vorbereitet war, als viele seiner europäischen Nachbarn,
wurden aber auch die Grenzen diese eigentlich guten Gesundheitssystems unter
solch extremen Rahmenbedingungen transparent.
Die hier notwendigen Gesundheits-Investitionen in ein auch auf solche
unvorhergesehenen Ereignisse optimal vorbereitetes Vor- und Fürsorgesystem
müssen nun aber vorrangig auf der europäischen Ebene abgestimmt, koordiniert und
strukturiert werden. Nur solche europaweit integrationsfähigen Lösungen und
funktionsfähige Strukturen werden uns dann auch auf der nationalen Ebene die
notwendige Sicherheit bieten, die wir in der Corona-Krise noch so schmerzlich
vermisst haben. Und dies schließt natürlich auch eine adäquate Koordinierung
sowie den Aufbau entsprechend funktionsfähiger Strukturen für solche Notfälle zwischen
den Bundesländern ein.
Notwendig werden daher Epidemie- bzw. sogar Pandemiepläne sein, die eindeutig
die Aufgaben und Funktionen auf den jeweiligen Ebenen unmissverständlich und
transparent festlegen. Dies setzt dann aber auch voraus, dass diese jeweils
verantwortlichen Ebenen auch die dafür erforderliche Kompetenz erhalten. Dies
ist bis jetzt nicht eindeutig geregelt und fehlt für die dabei sehr
entscheidende EU-Ebene noch völlig! - Reform zu
einem heilungsorientieren Gesundheitssystem
Die Struktur des Gesundheitssystems muss
aber auch insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden. Diese Krise hat gezeigt
und zeigt noch immer, dass das Personal in den Kliniken hochqualifiziert ist,
dass es in den nachbereitenden und zuarbeitenden Strukturen
überdurchschnittlich engagierte Beschäftigte gibt und dass auch die technische
Ausstattung – von manchen quantitativen Mängeln abgesehen – sich als qualitativ
ausreichend erwiesen hat.
Die in der Bertelmann-Studie erhobene Forderung nach einer Halbierung der
Krankenhaus-Standorte bzw. die seit den 60er Jahren zunehmende
Kommerzialisierung des Gesundheits-wesens bedarf aber spätestens jetzt einer
Neuausrichtung. Das zukunftsfähige Krankenhaus muss die medizinische
Grundversorgung abdecken, aber dabei auch in dezentral abzustimmenden sowie
ausreichenden Standorten z.B. Infektionsabteilungen mit Beatmungstechnologie
aufweisen. Diese sollten jederzeit modular im Bedarfsfall auch schnell erweitert
werden können. Das bedarf aber einer entsprechenden Ausbaustrategie.
Ein vorwiegend heilungs- und nicht sukzessive immer stärker
rentabilitätsorientiertes Gesundheitswesen muss künftig das anzustrebende
gesellschaftspolitische Ziel sein. Mit den jüngst erlassenen
Infektionsschutzgesetzen sind dazu bereits erste Weichen gestellt worden, weil
die Risikogesellschaft nun erkennbar an ihre Grenzen gelangt ist. Die
gesellschaftliche Bereitschaft Freiheit gegen Gesundheit einzutauschen, muss aber
auch noch durch die politische Bereitschaft ergänzt werden, mehr in ein solches
Gesundheitssystem zu finanzieren. Hier müssen daher auch die Bürgerinnen und
Bürger nun an der Solidarität anknüpfen, die sie während der Krise so
bemerkenswert ausgezeichnet hatte. - Neudefinition
zukunftsfähiger Gesundheitsarchitektur
In den bisherigen Diskussionen um notwendige Krankenhausstandorte wurden
vordergründig die Zahl der Einrichtungen, aber viel zu wenig deren Funktionalität
– auch ausgelegt auf Krisensituationen – in das öffentliche Bewusstsein
gehoben. Die aktuelle Situation hat nun aber auch aufgezeigt, dass wir mit
solchen Dimensionen von Epidemien an die Grenzen der Gesundheitsarchitektur
bzw. Krankenhausbaunormen gekommen sind. Das sind keine Vorwürfe, sondern die
tragsicherweise real erlebten völlig neuen Erfahrungen dieser Corona-Krise. Die
medizinischen Fürsorge-Einrichtungen bei uns sind zweifelsohne – auch im
Vergleich mit vielen anderen Ländern Europas – funktional und für die normale
Gesundheitsbehandlung gut ausgestattet. Aber sie waren auf die Dimensionen
einer solchen Pandemie nicht vorbereitet. Es gab in dieser Krise gerade einmal
sieben Infektionsstationen in Deutschland. Dies muss nun nicht zwingend bedeuten,
dass auf solche hoffentlich ganz selten auftretende Epidemien ausgelegte
Kapazitäten vorgehalten werden. Dies wird kaum möglich sein, da niemand eine
dafür sinnvolle Kapazität zu berechnen seriös in der Lage sein dürfte.
Aber es sollte überlegt werden, ob künftig Krankenhausbauten, wie z.B. schon in
Schweden so modular konzipiert werden, dass diese ohne größere Probleme in
kürzester Frist funktional erweitert werden können. Das würde in Notzeiten die
sicherlich niemals optimale Errichtung von Zeltlazaretten oder die Umnutzung
von leerstehenden Hallen erübrigen. Von Schweden, aber auch Südkorea oder
Taiwan kann man lernen, wie solche modulare Systeme an bestehende Einrichtungen
schnell und mit allen gerade in solchen Fällen lebensnotwendigen Techniken, wie
Telemedizin, Robotik oder Beatmungstechnik ausgestattet werden können. - Wissenschaft
auf Augenhöhe mit Politikverantwortung
Expertenmeinungen bei Regierungsentscheidungen waren niemals zuvor bei
jeweils aktuellen Krisensituationen so im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit
gestanden, wie jetzt nach dem Ausbruch des Virus Covid 19. Die dabei zunehmend
lauter werdenden Rufe nach einem Ende der „Macht der Virologen“ verkennen
jedoch den Kern der Komplexität solcher Bedrohungssituationen.
Es ist in der Tat neu, dass so deutlich erkennbar plötzlich in allen
politischen Diskussions-runden und bei Pressekonferenzen der
Regierungsverantwortlichen auch Wissenschaftler nicht nur regelmäßig präsent
waren, sondern dabei häufig auch das Wort geführt haben.
Es ist für unsere freiheitliche Gesellschaft und der mit ihr verbundenen
parlamentarischen Demokratie unverzichtbar, dass auch künftig erkennbar das
Primat der Entscheidungen bei der demokratisch legitimierten Politik liegen
muss.
Es hat sich aber hier sicherlich erstmals auch umfassend als richtig und
zukunftsweisend erwiesen, dass politische Entscheidungen auf der Grundlage
unabhängiger wissen-schaftlicher Beratung vorgenommen wurden und dass dies auch
sichtbar geworden ist.
Es wäre daher wünschenswert, wenn dieses Prinzip auch bei weiteren
weitreichenden politischen Entscheidungen so transparent in das öffentliche Bewusstsein
gehoben werden könnte. So müssten viele der häufig extrem kontrovers
diskutierten Themen, z.B. der Klimapolitik deutlich weniger mit unversöhnlich
scheinenden Argumenten geführt werden, wenn auch dabei die Meinung von
unabhängigen Wissenschaftlern eine so sichtbare Rolle spielen können. - Wissenschaft
als ernst zu nehmender Frühwarn-Sensor
In hohem Maße war die Gesellschaft aber auch von der Nachricht irritiert, als
nun bekannt wurde, dass schon im Jahre 2012 eine Epidemie-Risikostudie von
unterschiedlichen Bundesbehörden auf der Grundlage des Zivilschutz- und
Katastrophenhilfegesetz vorgelegt wurde, die einen denkbaren Epidemie-Verlauf
mit einem Virus durchgespielt und damals schon die jetzt transparent gewordenen
Schwachstellen aufgezeigt hatte (Bundestagsdrucksache 17/12051). Dies betraf
sowohl die ausreichende Anzahl von Schutzausrüstungen wie die Warnungen vor
immensen volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Der Präsident des Bundesamts für
Bevölkerungsschutz räumte daher ein, dass dieser Bericht damals nicht in der
wünschenswerten Tiefe diskutiert und noch nicht einmal im Gesundheits- und
Innenausschuss des Bundestags beraten wurde.
Es stellt sich daher die durchaus berechtigte Frage, ob evtl. auch die
sicherlich noch dramatischeren Auswirkungen der mittlerweile nicht mehr
abzuleugnenden Klimaveränderungen in ähnlicher Weise verkannt werden. Auch hier
liegen vom Weltklimarat, den Vereinten Nationen (UN) oder vom Umweltbundesamt ebenfalls eindeutige
Aussagen und Prophezeiungen vor! - Ausgewogenheit
einer weiteren Digitalisierung der Gesellschaft
Vielen Menschen haben die Ereignisse rund um den Virus Covid 19 erstmals in
einer umfassenden Erkenntnis deutlich gemacht, welche Potenziale in einer
zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaftliegen. Es werden sicher auch die vielen Homeoffice-Plätze – die
zuvor in dieser Dimension nicht möglich gewesen wären – nun evtl. auch zur
besseren Ausnutzung der Arbeitsmarkt- und Personalressourcen-Potenziale eine dauerhafte
Chance zu einer Etablierung erhalten. Aber es ist dabei mit hoher Sensibilität auch
zu berücksichtigen, dass nicht alle Beschäftigten in ihren Wohnungen über
solche Rahmenbedingungen verfügen und auch nicht alle Home-Arbeitsplätze eine
sinnvolle Ergänzung – vor allem in räumlich beengten und sozial kritischen
Familienstrukturen – darstellen. Es ist deswegen zu vermeiden, dass über eine
solche Liberalisierung eine in keiner Weise wünschenswerte Spaltung der Belegschaften
erfolgt.
Dies gilt auch für die erstmals erkannten Chancen der Digitalisierung des
Schulunterrichts. Wenn nun bereits darüber diskutiert wird, dass zumindest
einige Aspekte dieses „Homeschooling“ erhalten bleiben sollen, muss auch dies
mit der notwendigen Sensibilisierung erfolgen. Denn auch hier verfügen nicht
alle Familien über die finanziellen oder strukturellen Rahmenbedingungen, um –
auch nur in Teilbereichen – ein solches Angebot umfassend nutzen zu können.
Das imponierende Beispiel der umfassenden Digitalisierung der öffentlichen
Dienstleistungen in Estland oder Japan – und hier gerade auch das Bildungswesen
– zeigen aber auch, dass dies nicht zwingend eine Vision bleiben muss. Auch in
Deutschland bieten erste Kommunen einen umfassenden Digitalservice an (z.B. die
Einheitsgemeinde Tangerhütte in Sachsen-Anhalt).Und es müssen dabei auch die
unzweifelhaft vorhandenen Gefahren einer solchen Bildungs-Digitalisierung eine ausreichende
Berücksichtigung erfahren. Zumindest hat aber diese aktuelle Situation erstmals
direkte Erfahrungen vermitteln können, die es nun wohlabgewogen zu diskutieren
gilt, um darauf dann ggf. notwendige Zukunfts-entscheidungen zu treffen. - Stationärer
Einzelhandel darf nicht der Verlierer der Corona-Krise werden
Und die erstmals von vielen Konsumenten genutzten Möglichkeiten des
Online-Handels – vor allem auch im Bereich der Lebensmittelversorgung – sind
mit sehr differenziert und gemischten Gefühlen zu bewerten. Vor allem weil die
mit 85 % Marktpräsenz dominierenden Händler wie EDEKA, REWE, die Schwarz-Gruppe
und Aldi der massiv gestiegenen Online-Nachfrage kaum oder allenfalls längeren
Lieferfristen nachkommen können. Diese
Schwäche hat z.B. Amazon bisher sehr geschickt und professionell nutzen können.
Wenn wir aber weiterhin attraktive Innenlagen unserer Städte und umfassende
Einkaufsmöglichkeiten vor Ort behalten wollen, führt kein Weg an dem
Bewusstsein vorbei, welche Perspektiven nach wie vor ein – natürlich auch zusätzlich
online – präsenter stationärer Einzelhandel vor Ort bietet. Nicht alle
Einzelhändler und Gastronomen haben nun
in dieser Extremsituation die sich ihnen bietende Chance genutzt, ihre
stationär verfügbaren Angebote auch online sichtbar zu machen sowie diese mit
einem regionalen Lieferservice zu verknüpfen.
Die in dieser Situation extrem angestiegene Flucht in die Digitalisierung
(Online-Shopping, Streaming-Dienste, Netflix etc) muss nach dem Ausklingen der
Ausgangsbeschränkungen wieder auf ein
von politischer Vernunft geprägtes Mindestmaß reduziert werden. Denn es
darf nicht sein, dass die Digitalkonzerne aus den USA oder China (Amazon,
Google, Huawei, Alibaba und andere) als Gewinner aus dieser Corona-Krise
hervorgehen. Schließlich sind es ja gerade diese globalen Abhängigkeiten, die
besonders anfällig für Viren und andere aggressive Elemente sind. Ziel muss es
sein, das stark gewandelte Einkaufsverhalten wieder in regionale – und nach
Möglichkeit auch stationäre – Einzelhandelsstrukturen zu verändern. Dies trifft
insbesondere auf den Lebensmitteleinzelhandel zu, der ja bis zur dieser Krise
so gut wie gar nicht vom Online-Trend betroffen war. Immerhin wollen 14 % der Konsumenten ihre in
dieser Krise veränderten Konsumgewohnheiten dauerhaft beibehalten. - Die
Klimakrise wird uns sehr viel härter treffen
Vielfach wurde der Generationenkonflikt im Zuge der Corona-Krise beschworen.
Auch wenn es nie korrekt war, von einer vorwiegend älteren Risikogruppe beim
Virus Covid 19 zu sprechen (die zu beklagenden Todesopfer liegen bislang zwischen
25 und 95 Jahren), so sind z.B. bei der ja nach wie vor parallel bestehenden
Klimakrise gerade die jüngeren Menschen die Risikogruppe. Sie werden von den
versäumten Konsequenzen – laut den auch hier eindeutig vorliegenden
wissenschaftlichen Erkenntnissen – deutlich
stärker betroffen sein, als die ältere Generation. Im Unterschied zur
Corona-Krise handelt es sich aber beim Klima um ein deutlich längerfristiges und
vor allem nicht unmittelbar persönliche Betroffenheit auslösendes Problem. Denn
hier kann nicht erwartet werden, dass es in evtl. einem halben oder einem Jahr
ein wirksames Medikament dagegen geben wird. Daher wird es bei der Bewältigung
der Klimakrise auch nicht darum gehen, unseren Lebensstil nur für einige Monate
zu verändern. Wir werden unseren Lebensstil dauerhaft massiv verändern müssen,
wenn wir – vor allem aber nachfolgende Generationen – eine Zukunftsperspektive
erhalten sollen. Die Ereignisse um den weltweiten Ausbruch des
Corona-Virus sind allenfalls eine Blaupause für das, was uns im Zuge
einer Bewahrung unseres lebenserhaltenden Klimas auf allen Kontinenten aktuell noch
bevorsteht! Die Lösung dieses Problems – vor allem im globalen Maßstab – wird
nur über die Bereitstellung von Mitteln zu bewältigen sein, die deutlich über
jenen liegen werden, welche jetzt so überraschend schnell zur Verfügung
gestellt wurden. Ganz abgesehen davon, dass uns mit dem unausweichlich
anstehenden Klimawandel erneut eine Migrationswelle – in Europa und Nordamerika
– bevorstehen wird, deren Dimension (bis zu 10-fach) alle bisherigen
Flüchtlingswellen in den Schatten stellen wird. - Immunsystem
und natürliche Ökosysteme bedingen einander
Und das Klima-Thema hängt in der Tat sehr eng mit diesem uns neuerdings
bedrohenden Virus zusammen, gegen den bislang noch kein wirksames Medikament
zur Verfügung steht. Denn gerade zur so bedeutsamen Stärkung unseres
Immunsystems als natürliche Abwehr gegen die unglaubliche Vielzahl der uns
schon immer begleitenden Viren benötigen wir vor allem eine intakte Umwelt,
auch als Grundlage einer gesunden und auf regionale Kreisläufe gestützten
Ernährung. Widerstandsfähige Gesellschaften sind aber nur über verantwortbare Lebensstile
zu erzielen, die auch die Grenzen der Ökosysteme respektieren. Daher sind die
aktuelle Corona-Krise und ein konsequenter Klima- und Artenschutz auch nicht
voneinander zu trennen.
Wir haben bislang zu wenig auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse geachtet,
die einen direkten Zusammenhang zwischen Gesundheits-, Klima- und
Biodiversitätsthemen hergestellt haben. So wurde schon im Jahre 2007 im Fachblatt
„Clinical Microbiology Review“ eindringlich auf diese akute Gefahr hingewiesen,
ohne dass daraus Konsequentzen abgeleitet worden sind. Denn der
beachtliche – nicht erst über Coved 19
aufgetretene – Anstieg von neuen, zwischen Tier und Mensch übertragenen
Infektionskrankheiten findet seine Ursache vor allem in der global
vorherrschenden Zerstörung natürlicher Lebensräume von Wildtieren.
Die Erhaltung artenreicher und damit widerstandsfähiger Naturräume für Tiere
und Pflanzen, die Stabilisierung regionaler
Ökosysteme werden gerade in einer Welt nach Covid 19 eine unserer wesentlichen
Lebensgrundlagen darstellen. Sie sind – so eine Aussage der wissenschaftlichen
Forschung – auch eine wesentliche und
vor allem kostengünstige Vorsorge vor ruinösen Pandemien. Es wird dabei wichtig
sein, dass wir nicht immer intensiver diese Lebensräume massiv schädigen bzw.
reduzieren und damit eine immer häufigere direkte Begegnung von Wildtieren mit
Menschen zwangsläufig herbeiführen. - Wir
können das auch finanziell schaffen
Alle staatlichen Maßnahmen zur Eingrenzung dieser Gesundheitsgefährdung, aber
vor allem auch der zielgerichteten Abpufferung der wirtschaftlichen und
sozialen Folgen, überlasten die öffentlichen Haushalte in einem nie dagewesenen
Umfang. Andererseits muss man aber auch berücksichtigen, dass die jetzt
aufgrund behördlicher Anordnung in ihrer Produktion geschlossenen Unternehmen
nur etwa 7 % der nationalen Wertschöpfung generieren. Und die über die Pandemie
prognostizierte Schrumpfung der Wirtschaftsleistung wird laut
Sachverständigenrat auf bis zu 5,5 % geschätzt. Das wäre dann nur noch ein
Bruttoinlandsprodukt in der Größenordnung des Jahres 2017, einem immerhin wirtschaftlich
guten Jahr. Natürlich berücksichtigen solche Zahlen nicht die sinkende
Arbeitsproduktivität , die steigende Zahl
an Insolvenzen und vor allem der Arbeitslosigkeit sowie die dadurch ggf.
ausgelöste und sich selbst verstärkende Spirale einer drohenden
Abwärtsbewegung. Und so manche auf erste Unterstützungen nach Wochen immer noch
wartende mittelständische touristische Dienstleister ohne sehr viel
Rücklagen-Kapital haben sich deswegen auch verwundert über großzügige und
schnelle Hilfen für so manche Weltmarktführer die Augen gerieben. Denn wenn
einem Weltkonzern wie Adidas – bisher nicht gerade durch Solidaritäts-Kampagnen
aufgefallen – mit umfassendem Sicherungs-Kapital schnell und medienwirksam 3
Mrd. EUR angeboten werden können, sollte dem unsere Wirtschaft zentral
absichernden Mittelstand adäquate Hilfen auch angeboten werden können. Hier
sind offenkundig noch erhebliche Lücken im finanziellen Krisenmanagement zu
schließen!
Natürlich muss im Zuge einer längerfristigen Perspektive auch immer die nach einer solchen Krise
folgende Aufschwungphase – vorausgesetzt der Krisenmodus bleibt zeitlich noch überschaubar
– mit einberechnet werden. So wird in
Prognosen für 2021 bereits ein Wachstum von über 11 % kalkuliert. Ähnliche
Entwicklungen gab es immerhin auch nach der Finanzkrise von 2009, weswegen dies
keine utopischen Vorstellungen sein müssen.
Wichtig erscheint aber in dieser Phase eine etwas pragmatischere Gelassenheit
und die Erwartung, dass Zentralbanken und die Finanzpolitik weiterhin möglichst
problemorientiert handeln können. Denn selbst bei einer erheblichen Schuldenlast
der öffentlichen Hand stellt sich die Frage, in welchem Umfang sich dies insgesamt
als bedrohlich auswirken könnte. Bei den aktuell niedrigen Zinsen kann sich der
Staat höhere Schulden ja durchaus leisten, solange wieder absehbar ein Wachstum
in Aussicht steht.
Und es darf dabei auch nicht verdrängt werden, dass just in jener Krisenzeit immerhin
noch Dividenden in Höhe von 44 Mrd EUR ausgezahlt werden konnten und das
vermögendste Hundertstel der Gesellschaft über 3.800 Mrd EUR Gesamtvermögen verfügt.
Es ist auch bedeutsam zu wissen, dass von 2012 bis 2019 in Deutschland rund 233
Mrd. EUR Finanzierungsüberschüsse aufgelaufen sind. Und alleine das
Nettogeldvermögen der privaten Haushalte liegt inkl. Immobilien und Sachwerte
bei rund 6,17 Mrd EUR. Ganz zu schweigen von den rund 125 Mrd EUR, die dem deutschen
Staat (in der EU sind dies sogar jährlich 825 Mrd EUR) durch
Steuerhinterziehung jährlich entgehen. Und abgesehen davon, wie viele
Milliarden Steueraufkommen jährlich nicht erhoben werden können, weil sich
international aufgestellte Konzerne geschickt durch nach wie vor nicht
geschlossene Steuer-Schlupflöcher lavieren.
Anders als bei etlichen vorangegangen Krisen muss daher auch sehr differenziert
darüber befunden werden, woher diese immensen Sanierungs- und Stützungssummen
wieder zurückgewonnen werden können. Denn diese Zahlen machen zumindest
transparent, dass es Mittel in diesen Größenordnungen gibt und dass diese daher
nicht wieder bei jenen zu holen sein können, die von diesen Vermögen ohnehin
nur über marginale Bruchteile verfügen. Gleichwohl wird das alles nur zu
stemmen sein, wenn alle – in jeweiliger Abhängigkeit ihrer
Vermögensverhältnisse – daran unmittelbar beteiligt werden. Und es wird auch
nur dann eine Perspektive haben, wenn uns bewusst wird, dass wir uns danach
nicht wieder im gleichen Lebensstandard wie vor der Krise befinden können!
Welche Perspektiven
bieten sich Altmühlfranken nach der Corona-Krise?
Wir leben in Zeiten von gesellschaftlichen Umbrüchen, nicht
erst wegen des Virus Covid 19.
Aber diese Situation macht die Notwendigkeit einer umfassenden Neuorientierung
nunmehr zwingend überfällig. Denn auch wegen des uns immer stärker treffenden
Klimawandels kann es nicht möglich sein, dass sich unser Alltag ohne
tiefgreifende Änderungen fortführen lassen wird. Nun muss dies nicht zwingend
Verzicht oder zunehmende Verbote im gesellschaftlichen Leben bedeuten. Es geht vielmehr
um sinnvolle Veränderungen, die in ihrer Summe natürlich auch zu hoher
Lebensqualität führen.
Aber möglicherweise eine andere Lebensqualität als es viele von uns bisher
gewohnt waren.
Es passt zu dieser Perspektive, dass just mitten in dieser Corona-Krise die
Meldung kommt, dass Deutschland erstmalig in seiner Geschichte mit mehr
erneuerbarer, als konventioneller Energie versorgt werden konnte. Hier hat z.B.
schon ein Wandel eingesetzt, an dessen Erfolg zunächst auch nur ganz wenige
geglaubt haben.
Jede Region wird nun für sich definieren müssen, wie es nach
dieser Krise weitergehen muss, um einerseits die Normalität des Lebens
möglichst schnell wieder in geordnete Bahnen zu lenken und andererseits aus den
Erfahrungen dieser Zeit notwendige Lehren und ggf. Konsequenzen zu ziehen.
Was könnte eine solche Neuorientierung für Altmühlfranken bedeuten und
welche Perspektiven eröffnen sich dadurch für unsere Region?
- Mehr,
aber nicht weniger Krankenhäuser
Im Gesundheitsbereich hat diese Krise deutlich gemacht, dass die auf nationaler
Ebene kritisch hinterfragte Zahl der Klinikstandorte keine Lösung darstellen
kann und mit großer Wahrscheinlichkeit in eine Sackgasse führt. Gefragt sind dezentral
angesiedelte Standorte von Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen
sowie die Vielzahl dezentraler Nachsorge- und Pflegeeinrichtungen.
Die ortsnahe Präsenz der Standorte des Klinikums Altmühlfranken in Weißenburg
und Gunzenhausen hat sich daher als richtig erwiesen und an dieser muss –
ungeachtet durchaus anderslautender Forderungen – festgehalten werden. Und auch
der hohe Anteil an qualifizierten Arbeitsplätzen im Bereich der Sozialwirtschaft
macht Altmühlfranken zu einem Standort mit Zukunftsperspektiven. Auch dieser
Standard zeichnet den Standort überregional aus und sollte daher weiter
gestärkt werden. - Online sichtbar
– aber offline unschlagbar
Auch wenn die komplette Abkehr von der Globalisierung alleine keine
zukunftsfähige Lösung anbietet, wird es aber umso notwendiger sein jetzt
darüber nachzudenken, wie die regionalen Wirtschaftskreisläufe nun dauerhaft
gestärkt werden können, die es ja hier in Altmühlfranken noch in großer Zahl gibt.
Aber der Online-Handel ist in diesen Wochen im Verkauf von
Nahrungsergänzungsmitteln um 400 %, im Bereich der Grundnahrungsmittel um 300 %
gestiegen. Und von diesem Boom profitierten in der Krise vor allem wieder die
großen Online-Händler.
Wir haben hier in Altmühlfranken aber bereits vielversprechende Ansätze mit dem
Portal ingunzenhausen.de oder mit den
neuen Online-Aktivitäten in Weißenburg. Das im letzten Herbst gestartete
Projekt des Online-Einzelhandels-Portal inaltmühlfranken.de
mit dem Dienstleister Atalanda sowie einem regionalen Lieferservice konnte jetzt
ebenfalls schon seine Leistungsfähigkeit eindrucksvoll präsentieren. Aber für
einen umfassenden Einsatz kam diese aktuelle Krisensituation dafür wohl um
einige Wochen zu früh. Immerhin wurde eine vielversprechende Gutschein-Aktion
darüber gestartet, mit deren Hilfe den Betrieben eine Hilfe und vor allem eine
Perspektive angeboten werden konnte.
Und in der Tat verfügt Altmühlfranken mit diesem Instrument – auch weil die Region hier als Vorreiter für
alle ländlichen Räume gelten kann – über eine vorzügliche Ausgangssituation, um
den ungewollten Erfahrungsschub mit dem Online-Handel sowie dem damit verbundenen Spannungsbogen
aufzugreifen. Es muss nun mit aller Kraft daran gearbeitet werden, dass die in
die globalen Online-Handelsnetze abgewanderten Umsätze wieder in den
stationären altmühlfränkischen Einzelhandel umgelenkt werden. Wenn dieser dann
sowohl stationär, wie auch umfassend mit seinem gesamten Angebot online über
das regionseigene Portal präsent ist, kann diese Ausnahmesituation in der Tat
zu einem Impuls für den regionalen Einzelhandel führen. Und es könnte damit
auch die Hypothese widerlegt werden, nach welcher der ländliche Raum wegen
seiner Distanz zu globalen Netzwerken als rückständig gebrandmarkt wurde.
Gerade das Online-Einzelhandels-Portal Altmühlfranken kann den Nachweis
liefern, dass der ländliche Raum auch hier den Lebensqualitäts-Standards der
Zentren nicht nachsteht. - Aus
Altmühlfranken – für Altmühlfranken
Aber diese Krise hat auch die Anfälligkeit langer Lieferketten transparent und
für viele auch schmerzlich bewusst gemacht. Die Bedeutung kurzer, in der Region
liegender Liefer- und damit auch Wertschöpfungsketten stellt einen der großen
Vorzüge ländlicher Standorte vor allem des Lebensmitteleinzelhandels dar. Wir
haben hier in Altmühlfranken noch die höchste Dichte an handwerklichen
Metzgereibetrieben, wir verfügen über eine Vielzahl hochwertiger
Handwerks-Bäckereien, es gibt noch die Mühlen, die Brauereien, Mälzereien, wir
verfügen über eine enorme Breite an Fischzuchtbetrieben und die vielen anderen
kleinen Fachhändler, die in altmühlfränkischen Netzwerken gebündelt sind
(HandwerkErleben, Regionalbüffet etc). Dazu zählen aber auch die Filialisten
größerer Lebensmittelketten, die schon bisher die Vorzüge der Integration
regionaler Qualitätsprodukte erkannt und sie gelistet haben. Daneben zeichnet
uns in Altmühlfranken auch das Vorhandensein noch zahlreicher kleiner
Fachhandelsbetriebe aus den Bereichen der Holzbe- und Verarbeitungs-, der Bekleidungs-,
der Freizeit- oder anderer mittelständischer Konsumgüterbetriebe aus.
Wir haben jetzt in der Tat die einzigartige Chance, diesen Betrieben wieder zu
mehr Wertschöpfung zu verhelfen, die für uns ja auch sonst bedeutende
Ansprechpartner sind, wenn es um die Unterstützung der Gemeinwesenarbeit, um
die Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen oder die Abführung von
Steuern geht.
Dieser Virus hat die Folgen einer ungezügelten Globalisierung deutlich gemacht.
Er hat aber auch gezeigt, dass wir uns von diesen Fremdbestimmungen in
wichtigen Bereichen befreien können, wenn wir uns auf die Vorzüge kleinerer,
regionaler und vor allem nachhaltiger Kreislaufsysteme besinnen. Jener
Unternehmen also, die in dieser Extremsituation für die Region und deren
Menschen sichtbar da waren und vielfache Hilfe und Unterstützung angeboten
haben. Sie verdienen gerade jetzt unsere konsequente Solidarität! - Vorratshaltung
wieder wertschätzen
Diese Virus-Krise hat uns aber auch drastisch vor Augen geführt, wie wenig
nachhaltig diese gesamte „Just-in-Time-Produktion“ geworden war. Wenn globale
Lieferketten jäh unterbrochen werden, wenn urplötzlich wieder Grenzen
hochgezogen und irrsinnige Wartezeiten bei der jeweils nationalen
Güterabfertigung zu zusätzlicher Störung führen, demontiert sich ein solches
System selbst.
Denn nun wird neben der ortsnahen Produktion auch wieder der Wert von Depots
oder Zwischenlagern bewusst. Die Abhängigkeit unserer Produktion oder unserer
täglichen Lebensqualität von der konsequenten Aufrechterhaltung eines
immerwährend rollenden Lagerbestands ist in dieser aktuellen Situation nochmals
ad absurdum geführt worden. Der Handel wird künftig wieder stärker zur eigenen
Risikovorsorge zurückkehren, wenn er nicht dauerhaft mit dem Problem leerer
Regale konfrontiert werden möchte. Und dies wird vor allem auch über die
Vorzüge regionaler Produktanbieter möglich sein, die in der Vergangenheit den
international agierenden Ketten unterlegen waren. Hier wird eine eindeutige
Veränderung eingefahrener Lieferketten zugunsten regional ansässiger Lieferanten
erwartet. Hier liegt daher auch die einzigartige Chance zukunftsfähiger
Regionen, solche überlebensnotwendigen Reserven auch wieder vor Ort, also
konkret hier in Altmühlfranken sicher verfügbar zu wissen und deren
Reaktivierung zu betreiben. - Regionaler
Fachhandel verdient unsere volle Aufmerksamkeit
Und wir haben in dieser Krise auch schmerzlich erleben müssen, welche
bedrohlichen Konsequenzen es haben kann, wenn große Teile lebensnotwendiger
Produktionsprozesse – wie z.B. bei Medikamenten – bereits in ferne Kontinente
verlagert wurden.
Es wurde aber dabei auch transparent, wie verletzlich diese neuen Lieferketten
sind, wenn wir z.B. bei unserer Versorgung mit Arzneimitteln auf Online-Dienste
angewiesen sind. Viele Menschen haben den unverzichtbaren Wert z.B. der beratenden
Rolle unserer vor Ort verankerten Apotheken wieder erkannt.
Es wird daher nicht ausreichen, wenn wir nur über eine Rückverlagerung von
medizinischen Produktionsabläufen zumindest nach Europa nachdenken. Wir müssen
auch wieder den Wert der regionalen Präsenz des Fachhandels mit seiner umfassenden
und persönlichen Beratungs-Kompetenz würdigen. - Zugang
zum eigenen „Grün“ erleichtern
Diese aktuelle Krisensituation hat aber auch viele Menschen in
Mehrfamilienhäusern – ohne den unmittelbaren Zugang zu selbst zu
bewirtschaftenden Flächen, und mögen sie noch so klein sein – daran erinnert, welche Bedeutung für unsere
Lebensqualität und evtl. auch Lebensmittelsicherheit ein eigener Garten haben
kann.
In der Landeshauptstadt München gibt es schon seit Jahren die Krautgärten,
meist von Landwirten bereit gestellte Flächen am Stadtrand, die zwar mit
Gartenkräutern, Gemüse und anderen Gartenpflanzen im Frühjahr von diesen bestellt
werden, aber dann von interessierten Großstädtern zur weiteren Pflege und Ernte
verpachtet werden. Es gibt zahlreiche weitere Kommunen, aber auch
Lebensmittelhändler wie tegut, welche
diese Idee aufgegriffen haben, die auf eine kaum zufrieden zu stellende hohe Nachfrage
bei den Konsumenten geführt hat.
Dieser Ansatz eignet sich daher auch für den ländlichen Raum, wo es ebenfalls
zahllose Menschen ohne direkten Zugang zu einem eigenen Garten oder gar
nur einen eigenen Balkon gibt. Es wäre
sicherlich ein ebenso interessanter wie auch begehrter Ansatz, solche Saison-
oder Krautgärten auch hier in Altmühlfranken durch die heimischen Landwirte anzubieten.
Abgesehen von den Vorzügen der direkten Versorgung mit frischen und saisonalen Lebens-mitteln,
eröffnen diese Partnerschaften auch völlig neue Beziehungen und können
zusätzlich ein umfassenderes Verständnis dieser Pächter für die ihnen häufig so
fremd gewordene bäuerliche Alltags-Arbeit auslösen. - Solidaritätskultur
kultivieren
Die neu entdeckte Solidarität in unserer Gesellschaft, die ja auch in
Altmühlfranken zu bemerkenswerten Aktionen geführt hat, sollte in einem
hoffentlich bald wieder einkehrenden Alltag nicht wieder erneut untergehen.
Es ist daher sinnvoll, gemeinsam diese Ausnahmesituation noch einmal in
Erinnerung zu rufen und zu hinterfragen, ob und wie dieseSolidaritätsstrukturen in unserer Zukunft nun fest verankert
werden können. Möglicherweise kann dies über neue Formate kommunaler
Dialogforen aufgegriffen und in Altmühlfranken sogar zukunftsfähig weiter
entwickelt werden. Die bereits bestehenden und häufig gut funktionierenden
sozialen Netzwerke wären dafür eine gute Grundlage. - Aufwertung
sozialer Betreuungsmodelle
Die Bedeutung des Fehlens von Sozialkontakten haben in diesen Zeiten viele
Menschen erstmals mit persönlicher Erfahrung – wenn auch nur auf die eigenen
Wände bezogen – erleben können. Dadurch wurden viele Klagen von Menschen der
älteren Generation auf einmal hautnah zu einem nachvollziehbaren
Schreckgespenst. Es wurde schon sehr viel über die Probleme der Vereinsamung –
beileibe nicht nur auf die ältere Generation beschränkt – kommuniziert, aber
wirklich wahrnehmbar wurde sie für viele erst in diesen Tagen der Corona-Krise.
Es muss daher auch als eine der Lehren aus dieser Situation nach effizienten
Lösungen gesucht werden, wie wir diesem gesamtgesellschaftlichen Problem durch neue
Formate vonBetreuungsmodellenwirkungsvoll begegnen können. Über die
Freiwilligenagentur Altmühlfranken wurden dazu bereits ansatzweise und
punktuell Angebote unterbreitet. Es wurde für viele Menschen aber erst jetzt
erkennbar, welche Dimension und Auswirkungen eine solche Vereinsamung mit sich
bringen kann, wobei dieses Problem nicht alleine auf Pflege- und Altenheime
beschränkt ist.
Es ist daher ein Gebot der Stunde, für Altmühlfranken nach solchen Betreuungsmodellen
zu suchen und diese auch breit in der Gesellschaft zu verankern. Denn alleine
über eine staatliche Vor- und Fürsorge dürfte diese Herausforderung nicht zu
leisten sein. - Neue
Demut gegenüber Sozialberufen und -Dienstleistungen
Die in dieser Krise – möglicherweise erstmals – registrierteDemut gegenüber vielen Menschen aus
den für uns wichtigen Dienstleistungsberufen darf ebenfalls nicht in einem
wieder zurückkehrenden Alltag untergehen. So wichtig und richtig der Applaus in
diesen krisenhaften Zeiten war, so bedeutend werden diese Berufe auch in
Zukunft bleiben.
Bayern hat einen Anfang gemacht und will Pflegekräfte künftig deutlich besser
entlohnen.
Aber es darf nicht nur bei den Pflegekräften bleiben und wir werden diesen
Leistungen auch nicht alleine durch eine bessere Bezahlung honorieren, so
wichtig dies natürlich auch ist.
Wir sollten in Altmühlfranken einmal konkret darüber nachdenken, wie wir all
diese sog. systemrelevanten Berufe auch in unserer täglichen Wertschätzung achten
und unterstützen können. Und wir sollten uns in Erinnerung an diese Zeit auch
überlegen, wer hier in Altmühlfranken zu jenen Stützen der Gesellschaft zählt,
deren besondere Bedeutung für viele wohl erst in dieser krisenhaften Situation
deutlich wurde! Es wäre großartig, wenn sich aus dieser Situation eine
Entwicklung ableiten lassen wird, bei der dieses soziale Engagement nun endlich
auch eine deutlich höhere gesellschaftliche Wertschätzung erfährt. - Tourismus
neu denken – Nähe als neue Sehnsucht
Neben dem Einzelhandel und zahlreichen Schlüsselindustrien sind insbesondere im
ländlichen Raum die Dienstleister der Tourismusbranche von dieser globalen
Viren-Krise betroffen. Der Tourismusverband Fränkisches Seenland hat bereits
auf die dramatischen Einbrüche dieser Branche aufmerksam gemacht, bei der viele
aus strukturellen Gründen nur äußerst schwer die alleine bis jetzt entstandenen
Ausfälle werden verkraften können. Es haben einige – vor allem gastronomische
Dienstleister – darauf bereits mit sehr kreativen Lösungen reagiert, um
wenigstens diese Zeit konstruktiv zu überdauern.
Es wird natürlich auch im Tourismus eine Zeit nach der Corona-Krise geben und
auf diese sollten alle nach Möglichkeit gut vorbereitet sein, auch wenn dies evtl.
noch sehr lange dauern könnte. Denn danach werden alle, die bis dahin ihr
Überleben sichern konnten, massiv auch über Marketing in den neu wieder
erwachenden Markt investieren. Es wird absehbar einen intensiven Wettbewerb um
diesen dann neu erwachenden Tourismus-Kuchen geben! Und es ist da wohl auch
absehbar, dass bis auf weiteres vor allem der Binnentourismus profitieren wird.
Auslands- und wohl auch Gruppenreisen werden sicher so schnell nicht wieder das
Marktgeschehen dominieren. Diese Entwicklung wird daher all jenen entgegenkommen,
die dieses Marktsegment schon bisher sehr kreativ bedienen konnten.
Die beiden Tourismus-Destinationen in Altmühlfranken – Fränkisches Seenland und
Naturpark Altmühltal – könnten daher durchaus gestärkt aus dieser Krise, wenn
auch mit einer wohl unvermeidbar geringeren Basis an Betrieben bzw. Betten
hervorgehen. Es wird daher von besonderer Bedeutung sein, dass in dieser Phase
vor allem auf die authentischen Alleinstellungsmerkmale gesetzt wird. Denn es
ist absehbar, dass sich alle Mitbewerber zeitgleich mit massivem Einsatz um die
wieder erwachende Nachfrage bemühen werden.
Eine zentrale Rolle wird dann der zunächst startende Tagestourismus spielen.
Auf ihn und seine Multiplikatorwirkung sollte deswegen als erstes Ziel gesetzt
werden. Hier können bereits jetzt kreative Animationen über das Internet dazu
führen, dass neue Regionen entdeckt oder schon bekannte Regionen in Erinnerung
bleiben
Eine möglicherweise nicht zu unterschätzende Rolle können dabei im Fränkischen
Seenland und im Naturpark Altmühltal auf breiter Fläche eingesetzte
Landschafts-Webcams spielen. Diese sollten gut verteilt die besonderen
Höhepunkte und Alleinstellungsmerkmale von Kulturlandschaften und dörflichen
Bau-Ensembles mediengerecht ausleuchten. Aber anders als dies seit Jahrzehnten
der Alpenraum bereits mit der Präsentation seiner nicht immer optisch sehr
ansprechenden Ski-Pisten – und dies in bewährter Kooperation mit
öffentlich-rechtlichen Sendern –
betreibt. Denn im Unterschied dazu wäre es hier von besonderer Bedeutung,
vor allem herausragende Bilder unserer harmonischen Erholungs- und
Urlaubslandschaften als Besuchsmotivation zu präsentieren. Nach solchen
Entscheidungshilfen werden die Menschen
greifen, die so lange auf attraktive Ausflüge verzichten mussten. - Chance für
neue Profilierung der Landwirtschaft
Die Corona-Krise hat uns jedoch auch gezeigt, wie sehr viele Menschen sich nach
einer Harmonie mit der Natur sehnen. Dies gilt vor allem für jene Bürgerinnen
und Bürger, die weder einen Zugang zu einem eigenen Garten oder gar nur einen
Balkon verfügen. Eine besondere Bedeutung könnten dabei, auch als Alternative
zu den aktuellen Situationen in den Pflege- und Altenheimen sog. Green-Care-Angebote
in Altmühlfranken darstellen. In vielen anderen Regionen wurden damit bereits
sehr gute und Mut machende Erfahrungen gesammelt. Damit sind vielseitige
soziale Dienstleistungen im ländlichen Raum zu verstehen. Der Bauernhof wird
dabei zu einem Begegnungsort, an dem viele Menschen aus unterschiedlichen
Lebenslagen die Chance erhalten, positive Erfahrungen zu sammeln. Dies können
je nach Kontext gesundheitsfördernde, pädagogische oder soziale Ziele für
unterschiedliche Zielgruppen sein. Mit dem Begriff „Green Care“ werden
Aktivitäten zwischen Mensch, Tier und Natur verstanden und gebündelt. Dabei
umfassen die darunter zu verstehenden Angebote Gartentherapie,
Abenteuertherapie bis hin zur tiergestützten Therapie, Erfahrungslernen am
Bauernhof oder soziale Landwirtschaft. Diese Therapien erfolgen in
Partnerschaft mit Betrieben aus dem Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich.
Die an Green Care beteiligten Bauernhöfe werden dabei zum Arbeitsort
(Tagesstruktur für Menschen mit besonderen Bedürfnissen), Gesundheitsort
(Prävention und Gesundheitsförderung), Bildungsort (naturnahe Betreuungsangebote
für Kinder) oder zum Lebensort (ambulante und stationäre Angebote für ältere
Menschen).
Mit diesen Ansätzen kann einerseits der gerade in Altmühlfranken noch häufig
kleinstrukturierten Landwirtschaft eine neue Erwerbsalternative aufgezeigt, der
Abwanderung aus dem Raum vorgebeugt und wohnortnahe Betreuungsangebote für
Kinder, ältere Mitbürger*innen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen
aufgezeigt werden. Green Care nutzt also bestehende Strukturen und bringt zudem
Wertschöpfung in die Region.
Ein solches und vor allem breit ausgerichtetes Angebot stellt in Altmühlfranken
– nicht nur in Krisensituationen wie
dieser – eine optimale Ergänzung
bestehender Betreuungseinrichtungen dar. - Immunsysteme
im neuen Fokus
Die Förderung des Immunsystems stellt eine notwendige Prophylaxe im täglichen
Kampf gegen die unzähligen – und immerwährend präsenten – Krankheitskeime dar.
Der globale Ausbruch des Corona-Virus hat mit kaum zu überbietender
Deutlichkeit aufgezeigt, wie sehr wir von einem intakten Immunsystem abhängig
sind. Die tägliche Bewegung in der freien Natur gehört zu den wichtigsten
Eigeninitiativen, um dieses dauerhaft aufzubauen. Eine Region wie
Altmühlfranken bietet als Teil ihrer umfassenden Lebensqualität deutlich
bessere Voraussetzungen als jeder urbane Ballungsraum, um diesen
Standortvorteil nutzen zu können.
Neben diesem Aspekt kommt aber auch einer ausgewogenen und gesunden Ernährung
eine besondere Bedeutung beim Aufbau des Immunsystems zu. Und gerade in dieser
krisenhaften Situation wurden ja viele Familien seit längerer Zeit wieder
einmal oder evtl. gar erstmalig mit der Situation konfrontiert, dass einerseits
Mahlzeiten gemeinsam in der Familie eingenommen und andererseits über die
Zubereitung mit frischen Rohstoffen neue Erfahrungen gesammelt werden konnten.
Es ist unbestritten, welche gesundheitlichen Vorzüge damit verbunden sind, wenn
wir der Zubereitung und der Aufnahme unserer Nahrung wieder mehr Raum widmen
können. Denn selbst Gerichte aus guten Grundprodukten zuzubereiten bedeutet auch,
wieder Verantwortung für das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Das Kochen und
die Nahrungsaufnahme sind im Hinblick auf die Gesundheit das Beste was wir für
uns und unsere natürlichen Abwehrkräfte tun können. Wenn dies sogar gemeinsam
erfolgt, wie jetzt in diesen krisenhaften Wochen, stellt das keinen vermeintlichen
Zeitverlust sondernsogar einen wünschenswerten Gewinn unserer Lebensqualität,
vor allem bei den sozialen Beziehungen dar.
Es reicht natürlich nicht aus, dies auf die drangvolle Enge einer „verordneten“
Quarantänesituation zu beschränken. Diese Kreativität sollte auch weiter eine
gelebte Alltagsqualität werden. Es macht daher Sinn, diese Gemeinsamkeiten von
Einkaufen regionaler Qualitätsprodukte, über das Zubereiten und bis hin die
Zeit für das gemeinsame Tischerlebnis nun wieder sukzessive als
Lebensqualitätsgewinn zu sehen und weiteraktiv zu leben. Um dieses Ziel zu
erreichen – heute kochen nur 40 %
täglich und nur 20 % bereiten ihre Mahlzeiten aus frischen Produkten selbst her
– sind dazu kreative Motivationen notwendig. Diese stellt daher eine aktuelle
Herausforderung für die „Nach-Corona-Zeit“ in Altmühlfranken dar, um nicht nur in einer
künftigen Krise wieder den Wert einer authentischen Ernährung Wert zu schätzen!
Es dürfte unbestritten sein, dass uns die Zeit dieser Krise
stärker als jede andere zuvor geprägt hat und weiter prägen wird. Aber es darf
bei der Freude über die ja sicher anstehenden Lockerungen der
Ausgangsbeschränkungen und des Herunterfahrens weiter Bereiche unserer
Wirtschaft nicht die Verlockung aufgegriffen werden, zum alten Rhythmus des gewohnten
Lebens zurückzukehren. Es hat sich in diesen Zeiten bereits gezeigt, welche
neue Solidarität unter den Menschen immer noch möglich ist. Daran kann und muss
nun angeknüpft werden. Dabei wird aber auch
daran zu erinnern sein, dass es eine Minderheit gab und gibt, welche über keine
solche Solidaritätsaffinität verfügte. Da Solidarität aber wohl zu den
besonders zukunftsträchtigen Potenzialen unserer Gesellschaft zählen wird, muss
es aller Anstrengungen wert sein, möglichst viele Menschen hier aktiv
mitzunehmen.
Und es muss uns in Altmühlfranken hierbei auch bewusst werden,
welche Lebensqualität unsere Region uns immer noch bietet. Möglicherweise
nehmen wir diesen Standortvorteil jetzt wieder einmal sehr bewusst wahr.
Aber trotz all dieser Perspektiven war es eigentlich
erschreckend, dass wir eines solchen Anschubs mit globaler Auswirkung und
fatalen Folgen bedurft haben, um derart „neue“ Erkenntnisse und Erfahrungen zu
gewinnen. Wir sollten uns daher dauerhaft für sicher wieder anstehende Krisen
besser rüsten. Der globale Klimawandel ist ja aller wissenschaftlicher
Erkenntnis nach nicht mehr aufzuhalten, seine Auswirkungen werden aber diejenigen
von Corona sogar deutlich übersteigen.
Alles, was wir jetzt erleben mussten, war dafür eine sehr schmerzhafte
Blaupause…..
Nutzen wir die Zeit, die uns für eine effiziente Umkehr unseres Lebensstils verblieben ist und sehen dies
nicht als einen unerträglichen Verzicht, sondern als eine Chance auf eine neue
Lebensqualität an.
Dieter Popp, FUTOUR Regionalberatung
Haundorf
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