Archiv: Allgemein

Bibellektüre war gefordert

Dr. Joachim Schnürle porträtiert Pfarrer Christian Titius

Im Stadtarchiv Gunzenhausen befindet sich dieser Kupferstich von Christoph Titius.

Es war sein Anspruch: In jedem Haushalt soll regelmäßig die Bibel gelesen werden, am besten einmal im Jahr vollständig. Wie gut, dass Pfarrer Christian Titus im 17. Jahrhundert lebte, denn heutzutage würde er mit seinem Wunsch nur mehr unverständliches Kopfschütteln ernten. Er war von 1666 bis 1671 evangelischer Pfarrer in Laubenzedel.

Selbst den kirchengeschichtlich interessierten Menschen ist Titius nicht bekannt. Wer aber das neue Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ liest, der weiß mehr.  Autor Dr. Joachim Schnürle, Oberarzt am Sanatorium der Stiftung Hensoltshöhe, stellt ihn vor. Der Pfarrer hatte höchste pädagogische Ideale, schließlich war er – wie in jenen Zeiten üblich – nicht nur Geistlicher, sondern auch Lehrer.  Eine Gedenktafel an der Kirche in Laubenzedel erinnert an ihn.

Zwei Jahre hatte er auf eine Pfarrstelle warten müssen, weshalb er sich zunächst als Hauslehrer betätigte. Er stammte aus Wilckau bei Breslau (Schlesien), wo er 1641 in einem evangelischen Pfarrerhaushalt auf die Welt kam. Seine Mutter war Jüdin, die väterliche Linie aus dem Augsburger Bürgertum. Er besuchte das Magdalenen-Gymnasium, das bis zu seinem Ende 1945 zu den traditionsreichsten deutschen Gymnasien zählte.  Später wechselte er an das Egidiengymnasium nach Nürnberg. Im benachbarten Altdorf war damals die Universität, wo er Theologie studierte.

1666 war für ihn in zweifacher Hinsicht ein bemerkenswertes Jahr, denn er bekam die Pfarrstelle in Laubenzedel und er vereheliche sich mit Margaretha Hörauf, der Tochter eines Leipziger Ordinariatsbotens. Sie brachte zwölf Kinder auf die Welt. Nach seinem fünfjährigen Wirken in Laubenzedel kam er an die Pfarrei Henfenfeld im Nürnberger Land, 1685 als „Oberpfarrer“ nach Hersbruck. Er erreichte ein Lebensalter von 62 Jahren.

Wie die geistlichen Herren  vergangener Jahrhunderte war Titius ein begeisterter Freund der Pflanzen, aber noch mehr Zeit verwendete er auf sein poetisches Talent. Er dichtete Lieder, am Ende waren es sogar 54, von denen etliche in den kirchlichen Gesangbüchern jener Zeit abgedruckt waren.  Wichtig war es ihm, biblische Inhalte in einem Kalender zu vermitteln, der täglich gelesen werden konnte. Bibelkunde in Reimform – das war seine Vorstellung von der Vermittlung christlicher Inhalte. Auf diese Art sollten die Menschen die Bibel in einem Jahr komplett durchlesen können. Er wusste: Texte in Reimform bleiben besser im Gedächtnis. Zudem war das Bibelwissen grundlegend für die Bildung der Menschen im 17. Und 18. Jahrhundert.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist für 25 Euro im Buchhandel erhältlich. 18 Autoren sind in dem 480 Seiten starken Werk mit 21 Beiträgen vertreten.

„Centraliving“ in Bahnhofsnähe

Die Lage ist super, denn praktisch vor der Haustüre lädt das Badefreizeitzentrum „Juramare“ zum Verweilen und zum sportlichen Fitnessprogramm ein, wenige Meter weiter steht der Bahnhof mit seinem neuen Mobiltätszentrum (in Planung). Die Radwege führen direkt zum Altmühlsee und zum Brombachsee. Und zum Marktplatz ist es auch nicht weit.  Dort entsteht das „Centraliving“-Projekt des Gunzenhäuser Bauträgerunternehmens Patrick Bosch mit 45 Eigentumswohnungen, die sich auf zwei Gebäude erstrecken. Nur noch vier Wohnungen sind käuflich zu erwerben.  Fotos: Falk

Neues Leben am Storchenfischereck

Nur noch wenige Tage vergehen und dann ist das neue Wohnquartier am Storchenfischereck vollständig fertiggestellt (30. Juni). Bereits sind jetzt etliche der 14 Eigentumswohnungen belegt, verkauft sind alle.  Im Erdgeschoss ist noch Platz für eine gewerbliche Einheit (Auskunft erteilt die Firma Hüttmeyer-Bau in Unterschwaningen (09836-97780). Der Bau mit seiner zeitgemäßen Architektur (Flachdach/Satteldach) ist ein Gewinn für das Stadtbild an dieser zentralen Stelle gegenüber dem Burkhard-von-Seckendorff-Heim.     Fotos: Falk

Wer will einziehen?

Seit 1879 steht dieses stattliche Gebäude in der Bühringer-Straße 13. Einstmals als evangelische Kinderschule gebaut war es in den Zeiten des Zweiten Weltkriegs sozusagen zweckentfremdet als Aufenthaltsstätte für Kinder aus den Großstätten (Kinderlandverschickung) und als Lehrküche. Etliche Jahrzehnte befand sich dort in absoluter Zentrumslage der Kindergarten der Evangelischen Kirchengemeinde. Nach der Fertigstellung der neuen Tagesstätte „Haus der Kinder farbenfroh“ in der Theodor-Heuss-Straße war dort die Praxis des Kinderarzts Dr. Frey. Jetzt sucht die Stadt für die 300 Quadratmeter großen Räume im Erdgeschoss (mit fünf Stellflächen) einen neuen Mieter.   Angebote nimmt die Liegenschaftsverwaltung der Stadt (09831/508-168) entgegen.  Foto: Falk

Landkreis hilft

Ansbacher Unterstützung für die Hochwasser-Geschädigten

Rund 115 Einsatzkräfte aus Landkreis Ansbach und Stadt Ansbach sind am Sonntagfrüh ins südliche Bayern aufgebrochen. Die ehrenamtlichen Helfer von der Feuerwehr, der dazugehörigen Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung (UG ÖEL) sowie dem Bayerischen Roten Kreuz leisten Unterstützung im stark vom Hochwasser betroffenen Raum Augsburg. Das Hilfeleistungskontingent umfasst 23 Fahrzeuge. Die Einsatzkräfte wurden am Sammelort in Feuchtwangen von stellvertretendem Landrat Stefan Horndasch, Bürgermeister Patrick Ruh sowie Kreisbrandrat Thomas Müller in den Einsatz verabschiedet. Foto: Stefan Horndasch

„Vaterlandsloses Gesindel“

Monika Wopperer skizziert die Anfänge der SPD in Gunzenhausen

Die älteste demokratische Partei in Deutschland ist die SPD. So auch in Gunzenhausen. 1906 ist sie gegründet worden. Zwar haben sich der Lokalhistoriker Wilhelm Lux und der Stadtrat Richard Schwager in früheren Veröffentlichungen bemüht, die Gründungsjahre der traditionsreichen Partei aufzuzeigen, aber in der komplexen Form geschieht dies erst jetzt durch Monika Wopperer in „Alt-Gunzenhausen“, dem Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde. Die frühere SPD-Stadträtin hat dafür als Titel den Spottnamen des „Vaterlandslosen Gesindels“ gewählt – eine Abwandlung der Wortschöpfung von Kaiser Wilhelm II., der wahrlich kein Freund der Sozialdemokratie war und sie als „vaterlandslose Gesellen“ schmähte.

Zur Erinnerung an Arbeiter-Turn- und Sportverein  1911 brachten sich alle Akteure in Positur.  Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Die Umstände am Ende des 19. Jahrhunderts waren nicht eben günstig für die Gründung einer „Arbeiterpartei“ in einem konservativ-ländlichen Umfeld. Sozialdemokraten wurden damals als „Bürgerschreck“ wahrgenommen. Mit den marxistischen Theorien und der Gegnerschaft zu den Kirchen konnte die bürgerliche Gesellschaft nichts anfangen. Das Bezirksamt (heute: Landratsamt) bemerkte 1890, dass nur einzelne Personen angehören, nicht einmal solche unter den „besitzlosen Landarbeitern“. Die Industriealisierung setzte nur langsam ein, es gab nur die Maschinenfabriken Hagenah und Bing, die Tonofenfabrik, die Imprägnieranstalt und das Hafernährmittelwerk, so dass die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter nur eine geringe Rolle spielte.

Als „Sozialdemokratischer Verein“  ist  die lokale Parteigliederung am 31. Dezember 1906 im Gasthaus Schachner in der Hensoltstraße (später Gasthaus Eiden, heute „Goldener Drache“) gegründet worden, wo jeden ersten Sonntag im Monat Versammlungen stattfanden. Der Hafnergeselle August Michael Sörgel war der erste Vorsitzende, der Maurer Johann Habermann sein Stellvertreter, der Gastwirt Georg Schachner wird als Kassier genannt, der Maurer Michael Segets und der Brauer Friedrich Elz  als Schriftführer.  Und wieder äußerte sich das Bezirksamt gegenüber der Regierung kritisch zur neuen Partei: „Ob es der Sozialdemokratie gelingen wird, in dem einer größeren Industrie entbehrenden Gunzenhausen einigermaßen aufzukommen, ist noch fraglich“.  Überdies verfügte der Stadtmagistrat, die monatlichen Versammlungen zu überwachen, was der Polizeioffiziant Griesmayer gewissenhaft tat.  Die Parteigründer hatten es ohnehin schwer. Beispielsweise war es den Angehörigen des Militärs verboten, in bestimmen Lokalen in Uniform einzukehren, denn man wollte die Soldaten aus dem Umfeld der Sozialdemokraten fernhalten.

Gründer Ludwig Farthöfer

Im bürgerlichen Lagen hatten die Sozialdemokraten wenig Freunde. Der Zentralausschuss vereinigter Innungsverbände in Deutschland brachte die Handwerker in Stellung und erklärte die Sozialdemokratie zum gefährlichsten gemeinsamen Feind des Kleingewerbes („Nichts kann verderblicher sein, als diese Partei noch mehr zu  stärken“). Wie sehr die Partei im ländlichen Umfeld nur eine Nebenrolle spielt, offenbart das Ergebnis der Reichstagswahl von 1907, als die SPD in Gunzenhausen nur etwa zehn Prozent der Stimmen bekam, im ganzen Reichsgebiet jedoch mit 28,9 Prozent am stärksten war.

Die Vorsitzenden des neuen Vereins wechselten in der Startphase mehrfach. 1907 wird beispielsweise der Schreiner Johann Sept genannt. Ihn und seine Vorstandsmitglieder nannte der Lokalhistoriker Wilhelm Lux „ehrliche und idealistisch gesinnte Männer, die mit großer Treue an ihrer Partei hingen“.  Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte der Verein 52 Mitglieder. Der Maurer und Schlosser Ludwig Farthöfer konzentrierte mehrere Ämter auf sich:  Parteivorsitzender, Gewerkschaftsvorsitzender, AOK-Ausschussmitglied und Stadtrat (1919-1924). „Legendär“ ist sein Aufruf 1919: Nieder mit der Morchanie! (Die Wortwahl ist nach der Schilderung von Wilhelm Lux auf einen leichten Sprachfehler des Genossen zurückzuführen).

Weil den vielfach von der bürgerlichen Gesellschaft ausgegrenzten Genossen der Zugang zu vielen Vereinen erschwert wurde, bauten sie quasi als Gegenkultur ein eigenes Vereinswesen auf. Dazu zählte der Arbeiter-Turnverein (1908), die Allgemeine Ortskrankenkasse, der von Mathias Hunger, dem Weinbergswirt,  geleitete Männergesangverein (1910), der Arbeiter-Radfahrerverein „Solidarität“ (1921), das Gewerkschaftskartell. Schließlich gründete die Arbeiterschaft 1911 den Konsumverein, dem sich 95 Genossen anschlossen.  Das Angebot richtete sich – so die Feststellung der Autorin Monika Wopperer – vornehmlich gegen den kleinbürgerlichen Einzelhandel mit seinem höheren Kostenniveau und war nur für die Gewerkschaftsmitglieder bestimmt (Anzeige von 1912: Der Consum-Verein empfiehlt den Mitgliedern ff Arac, ff Cognac, ff Kräuterlikör und versch. Krankenweine zur gefl. Abnahme“).

Den ersten Streik organisierte die Arbeiterschaft 1909, als die Tonofenfabrik (Nürnberger Straße 47) die Ausschussware den Arbeitern vom Lohn abziehen wollte.  37 Organisierte (von 52 Beschäftigten) legten die Arbeit vom 4. Juni bis 20. September (!) nieder. In einem Anzeige wird herausgestellt: „Redefreiheit zugesichert!“ Und daneben stand: „Auch die Herren Fabrikanten möchten erscheinen“.

Wohl verhielten sich die Gewerkschaften in Deutschland gegenüber dem aufziehenden Ersten Weltkrieg zunächst distanziert, aber letztlich verfing doch die Taktik der Herrschenden, das Deutsche Reich als Opfer einer russischen Aggression darzustellen. Im „Vorwärts“, der Parteizeitung, war zu lesen: „Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die vaterlandslosen Gesellen ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen.“

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ (Ausgabe 78) ist im Buchhandel für 25 Euro erhältlich. Es enthält auf 480 Seiten 21 Beiträge von 18 Autoren.

Kirchenbücher erzählen Geschichte

Alt-Gunzenhausen: Skurriles zu den Bestattungen im Mittelalter

Es sind nicht wenige Leser des Altmühl-Botens, die sich vornehmlich für die letzte Seite interessieren, wo die stark umrahmten Inserate stehen, sprich: die Todesanzeigen. Im 17. Jahrhundert hat es noch keine Zeitung gegeben, nur die Einträge im Bestattungsregister der Pfarrei. Dort sind neben den Taufen und Trauungen auch die Bestattungen aufgezeichnet, und zwar schon ab dem Jahr 1585. „Sie geben einen Einblick in die damaligen sozialen Verhältnisse“, sagt der Historiker Wolfgang Pfahler (Vreden), der hier die Grundschule besuchte und später für das Lehramt studierte. Er gehört zum Autorenstamm von „Alt-Gunzenhausen“, dem Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde. In der aktuellen Ausgabe widmet er sich den Besonderheiten der Bestattungen, wobei mancherlei Skurriles zu lesen ist.

Die Eintragungen von 1618 bis 1717 sind eine wahre Fundgrube für den Historiker und es sind vergnügliche Bemerkungen darunter, die heutzutage im Zeichen der Datenschutzgrundordnung unvorstellbar sind. Wolfgang Pfahler (77) hat von 1947 bis 1955 in Gunzenhausen gelebt (Marktplatz 25/ der Schuhmacher Pfahler war sein Großvater, Dr. Hans Kirsch sein Patenonkel). In Würzburg hat er das Abitur abgelegt, danach war er in Vreden (Westmünsterland) im Lehramt tätig. Er ist  in den Kirchenbüchern auf viele Begebenheiten gestoßen.  Zu lesen ist deshalb in seinem Beitrag von misslungenen Kuren beim Bader, Bigamie, Missbildungen, vom Umgang mit den Katholiken, von Familienstreit und Intrigen, Hurerei und Zwangskopulationen – und dem Tod eines 75-Jährigen kurz nach seiner dritten Hochzeit.

Der Cronheimer Weber Caspar Denner ist beispielsweise 1619 „aus Schwachheit und Blödigkeit“ in ein „unverdecktes Brünnlein“ gefallen und darin ertrunken. In den Fischgruben seines Vaters hat der fünfjährige Johannes Messerer aus Laubenzedel auf die gleiche Weise den Tod gefunden.  Hans Frank, ein Krämer aus Wachstein, ist 1620 „enthauptet und auf das Rad gelegt worden“ nachdem er bei „Wömmersheim“ (Weimersheim) einen Juden erschlagen hatte. 1648 ist die Hausfrau Barbara Deuter „bey schwermüthiger Verzweiflung 43 Jahr alt verrecket“. Sie ist zur Abschreckung für andere mit „ungewöhnlichem Gesang“ neben den armen Sündern begraben worden. „Ein alt Weib zu Oberasbach, so 108 Jahr erreichet und 80 Jahr mit zwei Männern im Ehestand gelebet“ wird im Kirchenbuch von 1652 erwähnt.

Kriminelles Handeln hat es auch damals schon gegeben. Margaretha Kölerin von Kehl „unterhalb der Weltzburg“ (Wülzburg) hat 1668 im Wittibstand  (Witwe) ein Kind gezeugt mit einem Zimmerergesellen, es aber gleich nach der Geburt selbst ermordet und in einer Schachtel unter ihrem Bett versteckt. Als sie dem Scharfrichter die Tat gestanden hatte, wurde sie „mit dem schwerd getodet“. Von einem ähnlichen Fall wird 1696 berichtet:  In Unzucht gezeugtes Söhnlein der Weimersheimer Näherin Magdalene Maria Offengruber ist nach der Geburt umgebracht und in den Brotschrank gestopft worden.  Die Mutter ist „geköpfett“ worden. „An der hitzigen Krankheit darnieder gelegen“ war 1704 des Gunzenhäuser Hutmachers Heinrich Kenzers Weib, das sich „in ihren Haus Brunnen gestürzet“ hat.  Weiter notierte der Pfarrer im Kirchenbuch: „Der Cörper blieb im Brunnen liegen selben Tages, und guthen Teil der Nacht, weil sich niemand zum Heraus ziehen wollte gebrauchen lassen“.

Übermäßiger Alkoholgenuss war natürlich damals schon im Spiel, wenn die Menschen verunglückten. Die 43-jährige Maria Steinwitzen aus Muhr ist 1693 „voll von Brandtenwein am graben hockend erstarret u. tod gefunden“. Johann Lindel, ein „Beker und Brandweinbrenner zu Labezedel“ wurde 1709 in der Früh tot in seinem Bett gefunden. Er hatte „bei seines Nachbarn Kindschenk so viel Branntweyn getrunken, dass man ihn nach Hauß hat müssen führen“. Der Pfarrer erhielt vom hochfürstlichen Hofrat den Auftrag, „die gewöhnl. Leich Ceremonien“ abzukürzen und weniger mit den Glocken zu läutten und wider die Völlerey eine ernstl. Predigt thun“.

Tragisch war der Unfalltod der Unterwurmbacherin Anna Eißen (1711), die beim Grummetholen vom Wagen fiel und sich den Hals brach, „so dass sie kein Anzeig mehr geben können“. Sie war „schwangeren Leibs gewesen“.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist für 25 Euro im  Buchhandel erhältlich. Es enthält 21 Beiträge von 18 Autoren zur Historie von Gunzenhausen und der Umgebung.

Für Behinderte da sein

Kommunales Ehrenamt jetzt ausgeschrieben

Eine wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft ist die Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Um dies in allen Lebensbereichen zu gewährleisten und um die Interessen von Menschen mit Behinderung zu vertreten, gibt es auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung. Auch im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen wird dafür eine ehrenamtlich tätige Person ernannt. Interessierte können sich dafür noch bis zum 19. Juni 2024 bewerben. In diesem kommunalen Ehrenamt erwartet einen ein spannendes Arbeitsfeld. Mit der Tätigkeit kann ganz aktiv die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung verbessert werden, denn die Beauftragten werden in viele Prozesse und Fragen eingebunden.
Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Beratung des Landkreises bei der Umsetzung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes. Durch die Tätigkeit können konkrete Belange von Menschen mit Behinderung an entscheidenden Stellen eingebracht und in Planungen verschiedener öffentlicher Stellen berücksichtigt werden. In diesem kommunalen Ehrenamt gibt man auch Stellungnahmen in behindertenrelevanten Angelegenheiten ab und fördert so barrierefreie Maßnahmen beispielsweise an Bushaltestellen oder in öffentlichen Gebäuden. In Sprechstunden berät und unterstützt man Menschen mit Behinderung und ist somit eine wichtige Stütze im Alltag.
Für dieses vielseitige und interessante kommunale Ehrenamt sucht das Landratsamt eine Persönlichkeit, die über Erfahrung in sozialen Angelegenheiten verfügt. Insbesondere im Hinblick auf die Belange von Menschen mit Behinderung sollten genügend Kenntnisse vorhanden sein sowie Fachwissen im Behindertenrecht. Eine Aufwandsentschädigung wird gemäß der Satzung des Landkreises über die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger gewährt. Die Bestellung erfolgt für die Dauer der Wahlperiode des Kreistages bis 2026.
Weitere Informationen sind online unter www.landkreis-wug.de/karriere zu finden. Bewerbungsschluss ist der 19. Juni. Interessierte können sich auch an die Personalabteilung des Landratsamtes wenden (personal@landkreis-wug.de, Telefon 09141 902-228).

„Spritze“ für das FabLab

Erneute Förderung durch die Stadt Gunzenhausen


Der Stadtrat von Gunzenhausen hat beschlossen, das FabLab Altmühlfranken e.V. für weitere zwei Jahre mit jeweils 2000 Euro zu unterstützen. Diese Entscheidung unterstreicht das Engagement der Stadt zur Förderung von Innovation und Kreativität in der Region.

Was ist das FabLab?

Das FabLab Altmühlfranken e.V. bietet der Gemeinschaft Zugang zu modernster Technologie und fördert damit die Entwicklung von Projekten in den Bereichen Technik, Kunst und Wissenschaft. Gleichzeitig bietet der Verein regelmäßig Workshops zu verschiedensten Themen an. Viele Menschen, von Jugendlichen bis Rentnern nehmen unsere Angebote bereits regelmäßig wahr. Mit der erneuten finanziellen Unterstützung können wir unser Angebot weiter ausbauen und noch mehr Menschen die Möglichkeit geben, ihre Ideen in die Realität umzusetzen.
»Wir sind sehr dankbar für die kontinuierliche Unterstützung durch die Stadt Gunzenhausen«, sagt Fabian Müller, Vorstandsvorsitzender des FabLab Altmühlfranken e.V. »Diese Förderung ermöglicht es uns, unsere Mission fortzusetzen und der Gemeinschaft einen niedrigschwelligen Zugang zu unseren Maschinen zu geben.«

Das FabLab Altmühlfranken e.V. lädt alle Interessierten ein, die vielfältigen Möglichkeiten des Labors kennenzulernen und Teil einer wachsenden Gemeinschaft von Machern und Kreativen zu werden. Neben unseren festen Terminen sind auch individuelle Termine, zum Beispiel für Jugendgruppen möglich. Wir möchten die Mitglieder des Stadtrates zeitnah zu uns einladen, um unsere Arbeit und die Werkstätten vorzustellen.

Für weitere Informationen besuchen Sie bitte unsere Website https://fablab-altmuehlfranken.de oder kontaktieren Sie uns unter info@fablab-altmuehlfranken.de.

Osiander über Osiander

Wolfgang Osiander bewertet die „Ego-Dokumente“ des Reformators

Wenn sich auch keine verwandtschaftlichen Beziehungen nachweisen lassen, so ist die Namensgleichheit doch bemerkenswert. Wolfgang Osiander (70), der Ansbacher Historiker, katholische Theologe und Gymnasiallehrer (von 1993 bis 2015 am Simon-Marius-Gymnasium Gunzenhausen) setzt sich  in einem Beitrag des jüngst veröffentlichten Jahrbuchs „Alt-Gunzenhausen“ mit den von dem Reformator Andreas Osiander hinterlassenen Schriften („Ego-Dokumente“) auseinander.

Andreas Osiander in einer zeitgenössischen Darstellung von Georg Pencz (1544).

Der Autor spricht von „Quellen der Selbstwahrnehmung“ und entlehnt sich den Begriff der „Ego-Dokumente“, der in der Wissenschaft seit den sechziger Jahren gilt. Die Schriften seines berühmten Namensvetters Andreas liegen seit den neunziger Jahren als zehn dicke Bände vor. Der Freund Martin Luthers hat die Reformation forciert, er war von 1520  bis 1548 Prediger an St. Lorenz in Nürnberg, später Professor in Königsberg. Gunzenhausen kann für sich beanspruchen, seine Geburtsstadt zu sein.  Hier ist der Sohn eines Schmieds in der Schmiedgasse (heute: Rathausstraße) aufgewachsen. Dort steht seit einigen Jahren auch sein bronzenes Denkmal.

Osiander war ein früher Kämpfer für die Reformation Luthers. Wolfgang Osiander charakterisiert ihn als eine tragische Gestalt („Eher Ketzer als Reformator“): „Er war keiner, der sich des persönlichen Vorteils willen einem Mainstream anpasste“. Nicht wenige Historiker sprechen ihm das Missgeschick zu, sich mit möglichst vielen und einflussreichen Menschen überworfen zu haben. Einen „Mann von nicht unbedeutenden Fehlern und Gebrechen“ nennt ihn beispielsweise der Theologe Wilhelm Löhe.

Der Mann, der die markgräfliche Kirchenordnung von 1533 vorbereitete, war ein streitbarer Geistlicher, der auch die anderen Reformatoren Philipp Melanchthon und Huldrych Zwingli hart attackierte („kleinmuetigkeit und zerstreute gedancken“) ebenso wie seine Nürnberger Predigerkollegen („dieweil sie mein schrift nicht gepessert, sonder gantz ein neue gestelt haben, darin das maist und peste tail meiner arbeit als untuglich hingeworden und ausgemustert“).

Die Bronzeskulptur von Andreas Osiander steht seit 2017 in der ehemaligen Schmiedgasse, heute Rathausstraße. Foto: Falk

Osiander galt als ein Freund der Juden indem er die gegen sie erhobenen  Ritualmordbeschuldigungen als bösartige Verleumdungen ad absurdum führte. Er kannte die jüdische Religion und Kultur schon aus seiner Jugendzeit in Gunzenhausen, wo er Kontakt mit jüdischen Gelehrten hatte.  Autor Wolfgang Osiander nennt ihn einen „selbstbewussten Starprediger“, zumal dieser behauptete, es gäbe keine zehn Männer in ganz Deutschland, die ihm gleichkommen könnten. Er war sich seines Werts wohl bewusst, denn nach zwölf Jahren als Prediger in Nürnberg verlangte er vom Rat eine ordentliche Gehaltserhöhung und kokettierte mit einem Weggang nach Augsburg oder Tübingen.  Der finanzielle Aufschlag wurde ihm auch gewährt und so zählte Osiander zu den am besten bezahlten Geistlichen in der Noris.

Seine Schrift „Vermutung von den letzten Zeiten und dem Ende der Welt“ provozierte stark. Die Angriffe gegen Osiander aus altgläubig-katholischer, aber auch aus zwinglianischer Seite häuften sich. Es kursierte das anonyme Spottgedicht „Andreae Osiandri, pedicantoris Norimbergensis“, das ihn als einen verdorbenen Menschen darstellte. Die Schmähschrift war sozusagen „starker Tobak“, denn man bezichtigte ihn, seinen ursprünglichen Namen „Hosiander“ in „Osiander“  verändert zu haben, um sich damit als „heiliger Mann“ (nach der griechischen Deutung) zu glorifizieren. Andere Vorwürfe bezogen sich auf seinen Lebenswandel (Erschleichung seines Wohnhauses von einer Witwe, ehebrecherisches Verhältnis). Die Gegner bezichtigte ihn, er habe seinen „von Hunger gebrochenen“ Vater im Alter nicht geholfen. Er hatte deshalb zu tun, um die Angriffe abzuwehren. Schon sein Vater und Großvater hätten den Namen getragen, hielt er ihnen entgegen und die rasche Heirat nach dem Tod seiner ersten Frau rechtfertigte er mit der Fürsorge für seine vier minderjährigen Kinder. Den Kritikern attestierte  er „unersättliche Lust am Lügen“.  Nie habe er mit dem Geld seiner Frau Wucher betrieben. Osiander war übrigens nach zweiter Ehe (drei Töchter starben im Kindesalter) ein drittes Mal verheiratet (zwei Kinder).

Nach 28 Jahren endete seine Nürnberg Zeit mit einem Zerwürfnis mit den Ratsherren. Seine theologischen Positionen bekräftigte der Reformator („Beweisung, dass ich dreißig Jahre immer einerlei Lehre von der Gerechtigkeit des Glaubens gelehrt habe“) auch noch ein Jahr vor seinem Tod 1552 von Königsberg aus, wo er nicht nur Pfarrer, sondern auch Professor an der damals schon renommierten Universität war. Der 55-jährige leistete sich auch in Ostpreußen einen heftigen Streit mit den theologischen Kollegen und den Studenten, die wiederum Schmähschriften in den Umlauf brachten. Der „Osiandrische Streit“ prägte das Bild des Reformators negativ, stellt Autor Wolfgang Osiander bilanzierend fest.  Die Königsberger verbündeten sich sozusagen mit den Nürnbergern, wobei der Schwiegersohn eine dubiose Rolle spielte, indem er sich an den Kampagnen beteiligte.

WERNER FALK

Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ ist für 25 Euro im Buchhandel erhältlich.  Von Autor Wolfgang Osiander stammt auch das Buch „Die Reformation in Franken“ mit einer Vita des Reformators(Schrenk-Verlag)